Wo steckt Dörte? – Na, in Äthiopien!

Liebe Freundinnen und Freunde der gepflegten Reisekolumne, heute gibt es einen Bericht aus Äthiopien. Äthiopien? – Ja, genau, das Land mit den schnellsten Marathonläufern, das man jenseits des Sports nur noch mit ‚Hungersnot‘ in Verbindung bringt. Und vielleicht noch mit Kaffee,  aber dazu gleich mehr.
Wie komme ich nun dorthin? Uwe wurde von der Universität in Adis Ababa eingeladen um dort eine Promotion als externer Prüfer abzunehmen und sagte unter der Voraussetzung zu, dass seine Frau Lust hätte mitzukommen und wir danach noch Zeit hätten, einige Tage das Land zu erkunden. Als er also vor einigen Monaten mit der Idee nach Hause kam musste ich nicht lange überlegen, denn ich hatte sofort einige Assoziationen zu dem Land jenseits der oben genannten  und sagte: ‚Da fahren wir hin!‘
Vielleicht erinnert sich der eine oder die andere an die Expo 2000 in Hannover? Diese sogenannte Weltausstellung, bei der die teilnehmenden Länder sich versuchen in möglichst dramatischer Weise zu präsentieren?  So ein Show-off der Nationen? Ich habe von dieser Expo nur wenige Dinge in Erinnerung. Die Chinesen hatten so eine fortschrittsgläubige, seelenlose techno-gigantomanische Installation mit 2000 Bildschirmen (ist schon seit den 80igern out), der Deutsche Pavillon war irgendwie ohne Roten Faden, die Schweizer hatten im Wesentlichen riesige Mengen Holz mitgebracht, die Isländer eine moderne Installation mit Wasser in einem Riesenzylinder und Bhutan hatte direkt mal einen kompletten Tempel aufgebaut.  Aber das einzige Land, dessen Pavillon ich auch heute noch richtig erinnere, war Äthiopien. Was hatten die Äthiopier Spektakuläres mitgebracht?  Im äthiopischen Pavillon, der kein Pavillon war, sondern eine halboffener Unterstand, saß eine Frau, die Kaffee zubereitete. Sie saß in der Mitte, umgeben von ihren Utensilien und in einem Halbkreis um sie herum auf winzigen Stühlchen ca. 2 Dutzend Besucher. Die Frau trug ein traditionelles Gewand und eine unglaubliche Würde und tat etwas, was in dieser Art unverändert seit langer Zeit getan wird. Sie bereitete Kaffee zu.  Dieser Vorgang strahlte Ruhe aus, Sicherheit  und etwas unglaublich Schönes und alle um sie herum Sitzenden folgten der Zeremonie mit einer Andacht, die fast heilig genannt werden kann. Am Ende verteilte sie den Kaffee aus einer Kanne in winzige Tässchen. Obwohl  während der ganzen Zeit nicht gesprochen wurde war es eine intensive Atmosphäre und ein Gefühl von Gemeinschaft und Geborgenheit und ich erinnere mich, dass ich dachte: ‚Und wenn die ganze Expo nur dafür gut war, ein wenig Nähe herzustellen zwischen den Menschen, dann war der ganze Aufwand nicht umsonst:‘ Und es war dieses Erlebnis, was ich mitgenommen habe und was auf eine Art Eindruck hinterließ. So cool muss man erstmal sein, mit so etwas Einfachem auf der Expo aufzukreuzen – und dann noch die ganzen spektakulären Inszenierungen der anderen Länder auszustechen! Ich war begeistert! Tja, und dann habe ich vor einigen Jahren ein Interview mit dem Bürgermeister von Adis Ababa gelesen (ja, es heißt Ababa, nicht Abeba und aus dem Amharischen übersetzt ‚Neue Blume‘). Er beschrieb darin offen die Schwierigkeiten und Spannungen. Und er sprach über die junge Bevölkerung (Altersdurchschnitt gut 20 Jahre), den Bildungshunger, Ideen zum Umweltschutz und zur Entwicklung der Gesellschaft und ich war einfach fasziniert von der ungeheuren Energie, dem starken Willen zur Veränderung und der hohen Motivation. Nix von wegen, da sitzt man nur rum und wartet, dass was passiert. Fand ich spannend.
Und dann gibt es auch noch das äthiopische Engagement im Rahmen der UN – kein Land stellt mehr Friedenstruppen als Äthiopien – und die Tatsache, dass es sehr viele Flüchtlinge aufnimmt und damit auf Rang 5 der Aufnahmeländer steht (nein, liebe Dresdner Pegidisten,  Deutschland ist nicht Nr. 1 bei der Flüchtlingshilfe, auch wenn das für euch so aussieht).  Nicht umsonst tagte der UN Sicherheitsrat dieses Jahr in Adis Ababa. Also auch international ein durchaus bedeutendes Land, will ich damit sagen, was wir irgendwie nicht im Focus haben.
Als Uwe also die Frage aufwarf, ob er wohl nach Adis…und ob ich wohl mit….? Gab es nur eine Antwort: Na klar, das will ich selber sehen!
Am 25.09. machen Uwe und ich den  Berlin Marathon (bei dem die ersten zehn Plätze sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen stark von Äthiopiern belegt sind ) und klettern am Montagabend, 26.09. in Frankfurt in den Flieger der Ethiopien Airlines um am nächsten Morgen in Adis Ababa zu landen. Ethiopien Airlines? Ist das so eine Never-come-back-Airline? – Mitnichten! Es ist die modernste Fluggesellschaft Afrikas, Mitglied der Star Alliance und wie mein Schwager Armin versichert (und er arbeitet in der Flugbranche, er muss es wissen) lässt sie bei denselben Firmen warten wie die gute deutsche LH.  Die Sitze sind die bequemsten, die ich seit langem in der Economy hatte, das Essen gut, der Service freundlich und die Klos auch nach Stunden sauber.
In Adis Ababa werden wir von Yohannes, Uwes Prüfling, am Flughafen abgeholt und zum Hotel begleitet. Da Feiertag ist, ist die Stadt unglaublich ruhig und kaum Verkehr. Am Nachmittag fahren wir ins Äthiopische Nationalmuseum, Lucy besuchen. Lucy? Der äthiopische Name lautet  Dinknesh (amharisch für Du Wunderbare) und es handelt sich um ein 3,2 Mio. Jahre altes Skelett eines, wie es so schön heißt, Hominiden. Eine frühe Vorfahrin also, ein weibliches Wesen, 107 cm groß und in der Lage, aufrecht zu gehen. Der Name Lucy entstand übrigens, weil im Lager der Archäologen, die 1974 den Fund ausgruben, immer ‚Lucy in the Sky with Diamonds‘ von den Beatles lief und der zunächst spaßhaft gemeinte Name dann irgendwie offiziell wurde.
Mein erster Eindruck vom Leben und den Menschen ist: Es gibt einen sehr entspannten Umgang der Geschlechter miteinander, die Frauen tragen dieselben engen Jeans wie bei uns, Röcke  in jeder Länge und es ist alles kein Thema. Mag sein, dass das die mehr christlich als muslimisch geprägte Gesellschaft ist, ich finde es angenehm mich bewegen zu können ohne  dass erwartet wird, dass ich Männern auf der Straße ausweiche oder komisch angeschaut werde. Am nächsten Tag geht‘s dann in die Uni von Adis Ababa, wo Yohannes seine Verteidigung hat und seine Promotion besteht. Natürlich hatten Uwe und ich uns gefragt, warum so ein Aufwand getrieben wird um eine Promotion abzunehmen, es gibt doch bestimmt genügend qualifizierte Leute in Äthiopien für so einen Vorgang? Die gibt es, aber man will beweisen, dass man den internationalen Standard anstrebt und betreibt deswegen diesen enormen Aufwand. Auch hier ist wieder diese hohe Motivation spürbar, die das Land vorantreibt.  Donnerstag  hält Uwe dann noch einen Vortrag und braucht den restlichen Tag, um das Geld für die Reise abzurechnen und  zu erhalten, in dieser Hinsicht ist das Land dann doch sehr afrikanisch…..
Beim gemeinsamen Essen, mit dem wir die Promotion am Abend feiern sind Frau und Sohn von Yohannes dabei. Sie hat einen Master in Amharischer Literatur und will promovieren, wie er uns stolz erzählt. Als sie fast ihr Essen verpasst weil sie den Kleinen bespaßt fordert Teshomé, der Doktorvater, ihn auf, sich jetzt auch mal um sein Kind zu kümmern, damit sie ihr Essen genießen kann.  Essen! Da Äthiopien mal italienisch besetzt war gibt es überall Pasta und Pizza – und besseren Kaffee, als ihn die Italiener machen, ehrlich! – Ja, auch Macchiato! Weil: s. Kaffeezeremonie, traditionelle.  Das einheimische  Essen besteht immer aus Injeera, ein fermentiertes, weiches Fladenbrot aus Tef, dem regionalen Getreide. Injeera schmeckt etwas säuerlich und wird mit Fleisch oder Gemüse variiert. Mittwoch und Freitag sind Fastentage und da haben es Vegetarier wie wir leicht – da gibt es Injeera nur ohne Fleischbeilage. Die anderen Tage bestellen wir einfach Injeera fir fir, das ist die Fastenvariante.
Die letzten drei Tage haben wir dann um noch ein wenig rumzureisen. Freitagmorgen holt uns Thomas, unser Fahrer ab und es geht nach Süden. Ich hatte wenige Tage vor unserer Abreise gelesen, dass 92% der Weltbevölkerung unter Luftverschmutzung leiden und 6 Mio. Menschen jährlich an den Folgen derselben sterben. Nun, an einem normalen Werktag, ist  auch in Adis spürbar, was das bedeutet. Es gibt keinen gut organisierten  öffentlichen Verkehr und keine Bahn in der Hauptstadt, private Minibusse befriedigen die Nachfrage nach Transport. Die Autos fahren, so lange sie fahren und viele LKW sind eigentlich getarnte Kohlekraftwerke, zumindest wenn ich mir anschaue, was da hinten rauskommt.
Einmal raus aus Adis Ababa staune ich jedoch nicht schlecht. Es gibt eine neue  Autobahn, von einer Qualität wie ich sie in Westdeutschland lange nicht gesehen habe, und auch die Landstraße nach Süden ist in einem guten Zustand. Guter Belag, kaum Verkehr.  Die Infrastruktur wird gerade mit chinesischer Hilfe aufgebaut, auch eine Bahnlinie ist in wenigen Monaten fertig. Außerhalb der Hauptstadt sehen wir riesige Gewächshäuser. Hier werden die Blumen produziert, die wir im Winterhalbjahr so frisch kaufen können. Ich mache mir keinerlei Illusionen, dass das irgendwie gesundheitsverträglich oder ökologisch passiert. Einmal verblüht, müsste eine Blume aus dieser Produktion streng genommen wahrscheinlich als Sondermüll entsorgt werden.
Wir fahren stundenlang durch eine Landschaft, die grün ist und nur grün. Ein weites Tal mit Bergen am Horizont, überall Felder und menschliche Behausungen, eingestreut ein paar Bäume. 95% des ursprünglichen Waldes sind verschwunden und in landwirtschaftlich genutzte Fläche umgewandelt, 100 Mio. Menschen, die meist bäuerlich leben, üben einen starken Druck aus.  Jetzt, zum Ende der Regenzeit ist alles üppig, reich und grün in allen Schattierungen, Gerste und Tef sind fast erntereif.  Es gibt natürlich Ziegen und Schafe, viele Esel und auch Pferde. Neben der Straße ist ein breiter Streifen, den die Tierherden und Pferdekarren benutzen, was den Verkehr für alle Beteiligten zumindest etwas sicherer macht. Ich staune, weil es neben Wellblechgedeckten einfachen Häusern auch noch viele strohgedeckte Rundhäuser in Lehmbauweise gibt, bei denen ein enges Gerüst aus Bambusstangen mit Strohlehm verputzt wird. Obwohl alles einfach ist, ist es nicht ärmlich und ich muss mir vor Augen halten, dass es andere, deutlich trockenere Gegenden gibt, in denen auch heute noch Hunger ein Problem in Äthiopien darstellt. Hier ist alles so üppig, dass das schlecht vorstellbar ist.
Am Abend erreichen wir den Bale Mountains National Park. Schon vor Erreichen des eigentlichen Parks sehen wir Gazellen, Warzenschweine und Paviane. Die Lodge liegt in einem lockeren Regenwald auf 3.100 m, es ist kalt, regnerisch und  großartig. Es ist Nebensaison und wir sind die einzigen Gäste. Von der Terrasse sehen wir Antilopen, Wildscheine und Gazellen, die gemächlich im Regen ihr Futter suchen. Als wir noch einen Spaziergang machen treffen wir weitere Tiere, die zwar auf Distanz bleiben aber auch nicht panisch davonrennen. Am Abend macht der Wirt uns ein Feuer an und wir sitzen essend am Kamin, trocknen unsere Socken und genießen ein gutes einheimisches Bier.  Ja, Bier können die auch brauen!
Die Nacht ist kalt, die heiße Dusche am Morgen köstlich und nach dem Frühstück brechen wir um halb sieben auf. Wir sollen unseren Guide abholen, der nicht am Treffpunkt ist.  Wir holen ihn offensichtlich aus dem Bett und er ist ganz schön verpennt, aber nachdem wir ihm ein Frühstück spendieren wird er wach und als wir nach 1 h Fahrt den Zugang zum Sanaté Plateau passieren, erweist er sich als fachkundiger und auskunftsfreudiger Führer mit guten Englischkenntnissen.
Das Sanaté Plateau ist eine alpine Hochregion, es liegt auf knapp 4.000 m, mit einem Gipfel auf 4.377 m und ist die Heimat des äthiopischen Wolfes. Diese Wolfsart ist extrem selten (es gibt wohl weniger als 1000 Exemplare) und hat eine einzigartige ökologische Nische. Seine Hauptbeute ist die Afrikanische Maulwurfsratte, ein Tier von ausgesprochener Hässlichkeit, die mit ihrem Gangsystem dafür sorgt, dass das Oberflächenwasser der Berge auch in tiefere Regionen kommt. Ich habe vor zig Jahren mal eine Doku über Äthiopische Wölfe gesehen und gehofft, sie mal live erleben zu können Da es regnet, ist die Maulwurfsratte in ihrem Bau und kein Wolf auf Beutezug. Wahrscheinlich liegen die unter einem Felsen und beobachten Touristen….. Obwohl wir also keine Wölfe sehen ist die Landschaft so einzigartig, dass wir nicht bereuen, hier zu sein. Es gibt so viele endemische Arten hier wie sonst nirgends auf so wenig Raum. Trotz der Höhe gibt es viele Pflanzen – es gibt Erde, die das ermöglicht. Viele Bodendecker, weißes Heidekraut und ein palmenartiges Gewächs. Das ganze sieht aus wie eine Mischung aus Island und Joshua Tree Nationalpark. Wir sehen schwarze Ibisse (die echt riesig sind), Greifvögel und anderes Getier- und keine Menschen. Schließlich fahren wir auf den 4.377 m hohen Gipfel  des Dimtu und ich stelle fest, dass dies der höchste Punkt ist, auf dem ich je gewesen bin. Europa hat bergtechnisch solche Höhen nicht zu bieten und im Himalaya war ich nie so hoch – Uwe schon, der hat mal in Nepal einen Pass in 5.400 m Höhe überquert.
Wir verlassen den Park gegen Mittag und fahren in die Ebene. Zum Mittagessen halten wir an dem kleinen Restaurant, an dem wir tags zuvor Rast machten und werden schon als Stammgäste begrüßt. Und natürlich gibt es wieder Injeera fir fir. Nachmittags erreichen wir Awassa (oder Hawassa), ein moderner Ort  mit breiten Straßen und Gehwegen, begrünten Mittelstreifen, zwei Hochschulen. Der Ort ist wunderbar an einem See gelegen und wir machen uns sofort auf zur Promenade. Hier tobt das Leben, alle sind im Wochenendmodus und unterwegs.  Überall dröhnt Musik, unzählige Fischrestaurants sind voller Besucher, die die wartenden Marabus mit kleinen Häppchen füttern (sollte mich nicht wundern, wenn die das Fischen verlernen, wo doch die Menschen dafür sorgen), Pelikane schwimmen auf dem See, kleine Ausflugsboote legen an oder ab. Es gibt unglaublich viele verschiedene Vögel und Marabus ohne Ende. Die sind nicht schön mit ihren nackten Hälsen und Köpfen, aber beeindruckend groß und unglaublich elegant wenn sie fliegen. Und außerdem hab ich noch nie welche frei gesehen und noch nie so viele. Wir setzen uns in ein abenteuerlich mit Seilen bespanntes, sofaähnliches  Gestell und bestellen Kaffee. Und da ist sie wieder, die Kaffeezeremonie. Zwei kleine Tässchen werden vor uns gestellt, Zucker reingeschaufelt und aus der typischen Bauchkanne mit dem weit oben angesetzten Ausguss in einer fließenden, eleganten Bewegung  der Kaffee eingeschenkt – haargenau bis unter den Rand. Wir sitzen also, trinken Kaffee in der Sonne und schauen auf den See und das Leben. Ich finde, es gibt härtere Schicksale…..
Sonntagmorgen sitzen wir um 8 im Auto. Wir stoppen kurz am Fischmarkt, wo jeden Morgen der Fang frisch angelandet wird. Ein Teil wird vor Ort verarbeitet und es warten hunderte Marabus in den hohen Schirmakazien um den Markt darauf, die Überreste zu ergattern, ein Teil der Fische wird nach Adis gebracht.

 

Es geht nach Norden, wieder Richtung Adis Ababa. Diesmal fahren wir etwas weiter westlich als auf der Tour nach Süden und bewegen uns im Rift Valley, diesem riesigen Grabenbruch, welcher Afrika auf ca. 6000 Kilometern durchzieht. Hier ist es wärmer und trockener und es sieht mehr so aus, wie ich mir Afrika vorgestellt habe. In lockerem Abstand stehen Schirmakazien,  es gibt niedriges Dornengebüsch und natürlich Felder, auch hier scheinbar endlos, soweit das Auge reicht. Und es reicht weit hier, die Landschaft ist offen und die Berge sind ca. 30 km entfernt, östlich und westlich. Wir stoppen am Abijata Shalla Lakes National Park. Er umfasst zwei Seen (ja, Äthiopien hat viele Binnenseen) und den dazwischenliegenden Berg. Direkt am Haupteingang können wir innerhalb einer Viertelstunde eine Gruppe Grantgazellen, mehrere Strauße und eine Familie Warzenschweine beim Schlammbad beobachten. Mit unserem 4wheel drive geht es dann über ausgefahrene Pisten weiter zur Anhöhe zwischen den beiden riesigen Seen. Die Sicht ist atemberaubend und unglaublich weit. Der Schall von den weiter unten gelegenen Häusern trägt zu uns herauf. Kinder lärmen beim Spielen, es geht ein leichter Wind, Vögel nutzen die Thermik vor dem Felsen um sich treiben zu lassen, ein Eselfohlen springt um uns herum…… Wir fahren weiter zum Ufer des Shalla Sees, der tiefste See des Landes und mit knapp 330 qkm auch von respektabler Größe. Das besondere dieses Gewässers ist, dass es an seinen Ufern mehrere heiße Quellen gibt und die wollen wir natürlich sehen. Schon von weitem sind die Quellen auszumachen – es sind einfach viele Leute da und es wird Wäsche gewaschen und getrocknet. Logisch, wenn man schon mal warmes Wasser hat. Einige Quellen sind so heiß, dass das Wasser brodelt. Konsequenterweise wird es also auch zum Kochen genutzt und Maiskolben und Eier darin zubereitet. Nebenan, wo es weniger heiß ist, wird dann in kleinen Pools  gebadet oder Wäsche gewaschen.  Den zweiten See, Lake Abijata,  lassen wir aus. Im Gegensatz zum Shalla ist er sehr flach – im Durchschnitt 8 m. Hier gibt es tausende Flamingos, die in der flachen Uferzone waten und bestimmt ein beeindruckendes Bild abgeben – aber unser Flieger geht in der Nacht und wir wollen ohne Hetze rechtzeitig zurück in Adis Ababa sein.
Nach dem Mittagessen berichtet Thomas, in Ziway sei ein religiöses Festival und es seien sehr viele Menschen unterwegs, wir müssten mit 2 h mehr Zeit rechnen und er schlägt vor, den Ort zu passieren und nicht reinzufahren. Entweder hat er aktuelle Infos bekommen oder einen guten Instinkt: Zurück in Deutschland lese ich, am Rande dieses Festes sei es zu politischen Demonstrationen gekommen und beim Einsatz von Gummigeschossen und Tränengas hat es Tote gegeben. Wir bekommen nichts davon mit und überqueren am Nachmittag die Stadtgrenze von Adis. Satellitenstädte kündigen die Hauptstadt an. Die Regierung betreibt mit großem Aufwand ein Wohnungsbauprogramm auf der grünen Wiese. In dessen Rahmen hat es Enteignungen und gewalttätige Proteste gegeben. Wir sehen nun Abzweigungen von der Schnellstraße, die zum Teil in einem Acker enden oder in einer der Hochhaussiedlungen. Dazwischen liegen – noch – Felder. Ich mutmaße, dass in wenigen Jahren die Stadt die Vororte eingeholt haben wird und Thomas widerspricht mir nicht. Die Angaben, wie viele Menschen in der Hauptstadt leben sind uneinheitlich. Wikipedia nennt 3,3 Mio., Yohannes meint, es seien 5,5 Mio. und Teshomé geht von bis zu 12 Mio. aus. Ich weiß es nicht. Verglichen mit Berlin ist die Fläche sehr überschaubar und viele Vororte, die mit der Stadt einen Ballungsraum bilden könnten, gibt es nicht.
Vor unserem Rückflug wollen wir noch für einige Stunden ein Hotel nehmen um uns frisch zu machen und etwas auszuruhen. Über 60.- US erscheinen mir im Jupiter Hotel als zu viel für drei Stunden Aufenthalt und um die Ecke entdeckt Thomas ein Guest House. Hier haben wir ein ‚Studio‘. Im Erdgeschoß, mit Küche und Bad, etwas muffig, mit deutlichen Gebrauchsspuren, aber sauber und für 25.- US inkl. Fahrt zum Flughafen vertretbar. Die Elektrik im Bad ist so abenteuerlich, dass ich mich entscheide, nicht so genau hinzusehen. Was ich ganz schnell rausfinde: wenn man die Badarmaturen zu weit hinten anfasst, kriegt man einen leichten Stromschlag…… Wir überleben unsere Dusche und gehen noch ein letztes Mal auf Tour, die Bale Road entlang (auch Africa Avenue, was viel besser klingt), trinken noch einen wunderbaren Kaffee und essen eine Kleinigkeit in einem Restaurant welches aussieht, als hätte man es 1.) aus den USA und 2.) aus den 50iger Jahren importiert.
Am Flughafen stellt sich heraus, dass obwohl Uwe schon vor Monaten Plätze für uns beide nebeneinander reserviert hatte, das Computersystem über diesen Umstand völlig im Unklaren war. Ich bin schon bereit mich damit abzufinden, dass wir getrennt reisen, aber er besteht freundlich, aber unnachgiebig darauf, dass dieses Problem gelöst wird. Und obwohl er einen  Viertagebart hat und sein Jackett nicht mehr ganz taufrisch ist, verströmt er offenbar eine solche Aura von Autorität, dass es schließlich klappt. Gut so. Denn mir hat offenbar das Durcheinander von Abendessen und spätem Bier am Flughafen nicht gut getan und mir wird auf der zweiten Hälfte des Fluges übel. Sehr schlimm übel. Ich mache es kurz: Mein Magen war so aufgebracht, dass er sich erst jetzt, am Dienstag, langsam beruhigt und ich war gestern, nach unserer Rückkehr froh, um halb zehn Uhr morgens ins Bett zu sinken und habe den ganzen Tag gepennt.
Egal – Äthiopien  war eine großartige Erfahrung und wie so oft war es anders, als ich es mir vorher gedacht habe. Gut, mal den Realitätscheck zu machen.
Ach ja, wir wollen wieder hin. Ich hatte bei der Abreise die Kamera vergessen und wir konnten nur mit den Telefonen knipsen. Und wir müssen ja nun noch die Wölfe sehen. Man kann mit diesen kleinen Pferdchen in den Bale Mountains trecken gehen.
Will jemand mitfahren? Melde dich! Und:
(Fotos konnten leider nicht mit eingefügt werden!) Peter