IM Frankfurt 2021 – erstes Mal Langdistanz

Ein Bericht von Björn Grützner, Düsseldorf
Sonntags um fünf Uhr morgens in der Traube am Einlaß zum Langener Waldsee sehen die meisten Sportler für mich so aus, als hätten sie vor diesem Unternehmen mehr Triathlons absolviert als nur einen. Covid19 hat mir lauter Übungstermine zerschlagen und jetzt stehe ich zurecht nervös da, mit einer einzigen Mitteldistanz im Gepäck und somit als absoluter Rookie bei dem Rennen, das ich mir schon lange Zeit gewünscht habe. Egal – in den letzten zwölf Monaten bin ich 7466 km geradelt, 1678 km gelaufen und war seit Frühling 98 km im Freibad. Alles nach Bauchgefühl statt Trainingsplan, aber für meinen Wunsch „aufrecht im Hellen finishen“ sollte es passen.
Die Räder stehen noch im Dunkeln und sind tropfnass vom Tau, alle und auch ich pumpen noch mal ein bisschen Luft nach. Fröhlich und tiefenentspannt schaut Andreas Weymann kurz bei mir am Rad vorbei und wünscht mir viel Spaß – ich hatte vor lauter Hektik und Konzentration schon fast vergessen, dass wir von den Mülheimern zu zweit starten. Die Logistik war jedenfalls schnell erledigt und etwa viertel nach sechs tröpfelten alle in die Startaufstellungen am Strand ein. Der See sah um diese Zeit klasse aus, lag super schön in der Sonne, die Schattenecke noch von Morgennebel bedeckt. Bei etwas über 23 °C durften wir im Neo starten, worüber ich ganz froh war. Etwa viertel vor sieben ging’s es dann los und ich ging mit der Gruppe „~1h25 min“ Zielzeit ins Wasser. Der Start lief top, das Wasser war schön und jeder hatte reichlich Platz. Ich hielt mich erstmal ein paar Meter außerhalb der direkten Linie und peilte neben den Bojen ein Mädel mit knallorangenen Ärmeln als „follow me“ an. Nach einer kurzen Weile war ich mangels Maßstab viel zu schnell und musste für ein paar Meter auf Brust umsteigen, um den Puls runterzubringen. Danach lief aber alles wie am Schnürchen. Der Rückweg der ersten Schleife ging in die Sonne hinein und man sah wirklich nicht viel, häufiges Schauen war angesagt. Einmal kurz auf Seegras-Feld „aufgesetzt“, danach war die erste Schleife erledigt und es ging nach dem Landgang auf die zweite. Es war richtig schön und lief einfach rund. In der zweiten Gegenlicht-Passage hat sich anscheinend eine große Menge Leute verschwommen und schwamm in die Bojenlinie hinein, von daher hat es sich gelohnt, ab und zu mal einen Zug Brust einzustreuen und weit auf die Strecke zu schauen.
Nach etwa 1:20 h war das Schwimmen erledigt – schnell gewechselt und ab aufs Rad.
Das Radfahren ging richtig schön an mit einem perfekten Sommermorgen mit zu dem Zeitpunkt vielleicht 23 °C. Die Straße war zunächst gut frei und in Sachsenhausen und Offenbach waren nicht allzu viele Fahrer unterwegs. Ich war voll in meinem Lieblingselement, habe den Fahrtwind genossen und mit dem Frühstück angefangen.
Irgendwann kamen dann die ganzen Hügelchen und die Dichte an Fahrern wurde wieder etwas größer. Ab da suchte ich mir jemanden als Referenz aus, der etwa das fuhr, was ich auch fahren wollte, und blieb im gegebenen Abstand immer mal in Sichtweite in der Kette von Fahrern, um mir auf den Hügeln anzugucken, wie er sich die Kraft einteilt. Das klappte auch prima und die ganze erste Runde lief solide und schön. Irgendwann in der zweiten Runde ging ich ein bisschen vom Tempo runter und verwendete mehr Atemzüge aufs Essen und Verdauen, aus Respekt vor dem, was da noch kommen sollte. Heiß war es mittlerweile auch geworden und ich fand mich bald in einer immer gleichen Kette aus Fahrern wieder, die das letzte Radstück zum Speicher auffüllen nutzten. Die Profis waren die ganze Zeit über nur mal hinter den sieben Bergen durch ihren Hubschrauber zu sehen. Nach etwa 5:56 h war das Radfahren erledigt. Helm ab, Mütze auf, Gürtel mit noch mehr Gels um und los ging’s mit der Laufstrecke.
Das Laufen startete wie erwartet in ziemlicher Hitze. Auch hier musste ich nach den ersten zwei Kilometern mal kurz absetzen, da zu schnell losgelaufen, es waren aber nur etwa hundert Meter mit ein bisschen Seitenstechen und dann war ich in meinem eh schon langsamen Rhythmus zurück. Die erste Runde ging richtig schön. Tolle Stimmung, immer noch eine gute Menge Zuschauer, top Verpflegung und Kühlwasser aus dem Gartenschlauch, so viel man wollte. „Heiß“ laufen hatte ich extra an den schwülsten Nachmittagen am Rhein geübt, aber wirklich verträglich bin ich damit nicht, über das Abduschen alle paar Kilometer war ich also echt froh. Und so ging es dann weiter: Laufen, Duschen, Trinken, Gel essen…
Irgendwann zwischen etwa Kilometer 15 und 18 kamen dann zwei Warnsignale auf: Zum einen eine Vorahnung, dass ich in einer Weile nicht mehr zu hundert Prozent klar sein würde. Zum anderen emfand ich die Wasserduschen auf einmal als kalt. Den Kontakt zu meinem Appetit oder Durst hatte ich zu dem Zeitpunkt schon mehr oder weniger verloren und konnte nicht mehr sicher sagen, wo ich grad in Bezug auf Ernährung oder Mineralien stand. Gleichzeitig wollte ich absolut kein Risiko eingehen, in einen Zustand zu geraten, den ich womöglich nicht mehr einfangen könnte. Ich ging also auf Nummer sicher, lief eine Weile, nahm mehr von meinen Gels auf, leeres und salziges Wasser im Wechsel und verlegte mich für den Rest des Laufs darauf, regelmäßig zwischen Laufen, Traben, Gehen zu wechseln und immer eine gute Reserve an Power und guter Laune zu halten. Und damit ging’s dann gut – es war natürlich kein Heldenlauf, aber für mich der richtige Weg für die erste Langdistanz.
Die letzte Runde war noch mal richtig schön, die Sonne stand schon ein Stück tiefer und viele Helfer von den Ständen haben sich von jedem Läufer mit guten Wünschen fürs Finish verabschiedet. Kurz vor dem Ziel dann noch mal kurz Luft geholt, die Skyline lag schon in blau, rot und orange im beginnenden Sonnenuntergang, und dann ging es nach 12:32 h über die Ziellinie (5:05 h für den Lauf) – mega schön und ein perfekter Abschluss für einen wunderbaren Tag und eine lange Reise durch viele Trainingskilometer.
Als kleiner persönlicher Exkurs:
Ich habe den Renntag genossen und die Strecke dorthin – ich hab‘ vor mittlerweile 42 Jahren vor dem Kindergarten schon eine schwere Krebserkrankung überleben müssen. Der Weg von dort zurück auf „normal“ war lang und vielfach bitter, der Zustand an Fitness und Seligkeit, den ich jetzt erreicht habe, ist für mich die Sahne auf der Torte und ein schöner Meilenstein.
Nächstes Jahr: Vielleicht Hamburg.