Gobi March 2018 vom 29.07. bis 04.08.2018 – Dörte in einer Gegend mit viel Gegend
Oder, in harten Fakten: 242 km, 1 Woche , 6 Etappen
Es ist Mittwoch, der 25. Juli 2018. Zusammen mit Rafael Fuchsgruber, Tanja Schönenborn, Angela Dries und Antje Wensel stehe ich vor dem Terminal des Dschingis Khan International Airport in der – na klar – Mongolei. Wir sind die ersten des LDRC (Little Desert Runners Club) die in Ulan Bataar eingetroffen sind und werden gleich ein Taxi besteigen um in unser Hotel zu fahren. Wegen der Luft sind wir nicht hier; der Smog und Gestank in der Stadt sind unerträglich. Dabei ist Sommer, da geht es noch versichert man uns, im Winter sei es richtig ernst.
Gut, dass wir am nächsten Sonnabend hier raus kommen. Aber wieso bin ich hier? In einem Land, das 3 mal so groß ist wie Frankreich, aber nur 3 Mio. Einwohner hat (die Hälfte davon wohnt hier in Ulan Bataar, die andere Hälfte verteilt sich kommod auf den großzügig bemessenen restlichen Platz), das die kälteste Hauptstadt der Welt besitzt und welches das Binnenland ist, welches am weitesten weg vom Meer liegt?
Die Antwort ist naheliegend: es muss ein spannendes Rennen hier geben. Tut es. Aus der 4deserts race series findet der Gobi March, der sonst in China durchgeführt wird, dieses Jahr hier in der Mongolei statt. Und da ich schon seit langem hierher wollte – ich fand die Vorstellung cool, hier zu reiten – habe ich mich zum Rennen angemeldet.
Sonnabend, 28.07.18. Ich sitze im Blue Sky Hotel auf dem Boden und habe den gesamten Inhalt meines Rucksacks um mich herum ausgebreitet. Gerade erkläre ich dem Arzt, der mein Essen checkt, warum die paar Beutel, die hier liegen, für mich ausreichend sind.
Wir müssen für jeden Tag mindestens 2.000 kcal dabei haben. Erfahrungsgemäß kann ich unter der Belastung eines Rennens nicht so viel essen und möchte nicht unnötig Kram mitschleppen. Ich habe für morgens Müsli, für abends eine warme Mahlzeit, ein paar Cracker und getrocknete Apfelringe, die ich nach jeder Etappe zu mir nehme, Riegel für unterwegs, Pulver für ein Elektrolytgetränk. Er nickt. Beim Wiegen bringt es mein Rucksack auf 7,75 kg, das ist ein guter Wert. Noch schnell Mittagessen und schon sitzen wir in den Bussen. 235 Leute aus über 50 Nationen nehmen teil, der Konvoi aus Bussen und SUV‘s wird mit Polizeieskorte durch den dichten Verkehr geleitet. Außerhalb der Stadt: Gegend. Sehr viel davon. Baumlos, strauchlos, grün und scheinbar ohne Ende. Ein paar Häuser hier, eine Jurte dort, sanfte Hügel, weite Ebenen, dazwischen weidende Kühe, Pferde, Schafe und Ziegen. Nicht spektakulär. Weite, soweit die Wahrnehmung reicht.
Gegen 19 Uhr Ankunft an Camp 1, neben den Ruinen des Khar Bukhin Balgas Palastes in einer sattgrünen Ebene. Die Sonne scheint. Die Zelte sind aufgebaut, heißes Wasser verfügbar, Latrinen ausgehoben, alles ist für uns bereit. Das erste, was beim Aussteigen auffällt, ist der Duft. Eine Mischung aus Zitronengras, Rosmarin und einem Hauch Lavendel. Frisch und würzig zugleich. Ich atme tief ein. Wunderbar. Bei jedem Schritt steigt dieser Geruch, den ich von nun an für immer mit dieser Landschaft verbinden werde, mir in die Nase. Es ist einfach nur schön. Wir beziehen die Zelte. Zippi und Jerry kenne ich aus Namibia, wir kommen gut klar. Marc, Angela und Gabi sind neu, aber das Zusammensein mit ihnen zeigt sich entspannt. Wir essen gemeinsam, erkunden kurz das alte Gemäuer und liegen früh in den Schlafsäcken.
Stage 1: Wide open Mongolia
Der nächste Morgen kommt mit Sonne und einem weiten Himmel. Perfekt! Ich freue mich, will endlich los. Monatelange Vorbereitung, Training, Ausrüstung zusammenstellen – jetzt soll es endlich losgehen! Wir stellen uns am Start zwischen den Bannern von racing the planet und den Nationalflaggen auf, klatschen uns ab und um punkt 8 Uhr geht’s los. Ah!! Ich jogge im gemütlichen Tempo. Der zitronig-frische Duft der Kräuter und Heide steigt von der Erde auf, die Sonne scheint, ein leichter Wind streicht über meine Arme. Natürlich ist der Rucksack (gut 10 kg inkl. Wasser) zu schwer um wirklich bequem zu sein, aber ich bin gut erholt und trabe durch die wellige Landschaft. Zu Beginn kommen wir noch an Jurten vorbei, winken den Menschen, hoffen, dass uns die Hunde nicht beißen und klatschen uns mit den Kindern ab, die am Weg auf uns warten. Nach einigen Kilometern werden die Menschen weniger und die Gegend mehr.
Inzwischen ist Stephan Schwabe zu mir aufgelaufen. Ich kenne ihn seit dem Vorbereitungstreffen des LDRC im März und lief mit ihm vor einem Monat bei der Kölschen Naachschicht. Er hat etwas Knieprobleme und daher ein moderates Tempo und wir laufen gemeinsam weiter.
Die Strecke ist hügelig, es geht eigentlich immer irgendwie hoch und runter und es entwickelt sich der Grundrhythmus des Ultralaufens: bergauf gehen, bergab laufen und zwischendrin möglichst viel rennen. Im letzten Teil der knapp 40 km langen Etappe müssen wir einen Fluss queren. Stephan lässt seine Schuhe an (‚Ich krieg keine Blasen‘), ich ziehe sie aus, gehe barfuß durch das angenehm temperierte Wasser und schlüpfe danach in trockene Socken und Schuhe. Nach wenigen Kilometern bekommt Stephan dann doch eine Blase und macht langsam. Ich laufe vor, hüpfe vor Freude einen Hügel hinunter, überhole den Japaner, der das ganze Rennen einen Fußball vor sich her kickend absolviert und treffe in der Ebene vor dem Camp auf Antje Wensel. Gemeinsam laufen wir nach gut 6h in Camp 2 ein. Es liegt neben einigen Felsen mit historischen Zeichnungen an einem Fluss, auf der anderen Seite weidet eine Pferdeherde. Pure Idylle. Wir sitzen, sonnen uns, erkunden die Umgebung, essen und gehen schlafen. Campleben ist simpel.
Stage 2 Nomadic Wilderness – Dörte did it!
Die Sonne ist auch an diesem Morgen verlässlich da. Die Beine fühlen sich gut an und das ist beruhigend, denn heute wird es viel rauf und runter gehen und die Strecke ist knackige 48 km lang. Vieles ist wie am Tag zuvor: Steppe mit Heide und Kräutern, gelegentlich niedrige Stauden, immer wieder Hügel, weite Täler (ich meine wirklich weite Täler), und an einer Stelle sogar: Bäume! Eine echte Rarität hier. Bei Checkpoint 2 holt mich Stephan ein und da unser Tempo so gut zusammen passt, laufen wir ab jetzt gemeinsam. Unser Rhythmus entwickelt sich gut und nachdem wir uns mühsam die Hügel hochkämpfen, laufen wir sie danach lässig hinab, überholen immer wieder andere Läufer, denen Stephan aufmunternd ‚Great job!‘ und ‚ Keep it up!‘ oder ‚Don’t worry, you’ll catch us at the next hill, we are the Downhill-Gang‘ zuruft. Es sind viele Hügel. Irgendwann zehrt es doch ein wenig. Aber nach gefühlt viel zu vielen Stunden ist auch das vorbei. Nach dem hügeligen Teil beschließt Stephan, dass das Motto des heutigen Tages ‚Dörte did it‘ lautet und hier draußen jeder Tag ein eigenes Motto haben sollte.
Find ick jut, da bin ich dabei. Mit einer Überschrift bekommt doch ein Tag sofort Bedeutung und Gewicht. Charakter. Unverkennbarkeit. Einzigartigkeit.
Das tut so einem Tag, der ja ansonsten nur etwas ganz Profanes wäre und mit einer dieser Massenbezeichnungen wie Montag oder Dienstag zurechtkommen müsste, auch ganz gut.
Das letzte Stück führt über einen Feldweg (gut, auf Mongolisch wäre der Fachbegriff dafür ‚Straße‘) und wir entwickeln unser Fähnchenspiel. Zwei Fähnchen laufen, eins gehen, zwei laufen, eins gehen…..immer weiter. Hintereinander wie Indianer auf Streife. Oder so. Kilometerlang machen wir das. Es zieht sich. Wo ist das Camp? Das müsste doch mal bald hier sein? Nix zu sehen. Dann hören wir es. Die Trommel begrüßt jeden Läufer, jede Läuferin beim Einlauf. Hinter einer Kurve sehen wir dann vor einem felsigen kleinen Berg die Fahrzeuge, einige Jurten und das Banner mit Gobi March 2018. Zur Melodie von Highway to hell singen wir ‚We are on a highway to camp!‘ und ziehen rennend und unsere Trekking Poles schwingend in unser Lager ein. Es war ein langer Lauftag und wir haben über 9h benötigt. Egal. Fast alle anderen vom LDRC sind schon da, wir essen gemeinsam (ja, so ein Etappenrennen ist einfach, es gibt jeden Tag denselben Ablauf). Diesmal schlafen wir in Jurten. Keine Steine im Kreuz, kein abschüssiger Boden – super!
Stage 3: From the Mountains to the Dunes – Der Tag des Schwerenöters
Und schon wieder scheint die Sonne! Ha! Es hieß doch, die Herausforderung bei diesem Rennen sei, mit dem Regen und dem wechselhaften Wetter klar zu kommen, mit den evtl. sehr frischen Nächten?! Nix bisher. Es ist nachts wärmer als in Namibia, es ist nicht windig (was es in Namibia andauernd war), es gab keinen Regen bisher. Easy.
Der Entschluss von Stephan und mir lautet, heute so oft wie möglich bei allen Beschreibungen das Wort Schwerenöter zu verwenden um es so vor dem Aussterben zu bewahren und vielleicht sogar in den mongolischen Wortschatz einzuschmuggeln.
Wer oder was könnte uns heute begegnen und als ‚liebenswürdiger Schmeichler und Draufgänger‘ gelten? Wir sind gespannt!
Der erste Teil der heutigen Laufaufgabe lautet: Klettere über den felsigen Berg! Das geht nur einzeln hintereinander und ich kraxel schon mal vor. Bis ich auf Gunnar stoße, der mit seinen 74 Jahren zu den älteren Startern gehört und dessen beste Zeiten am Berg sichtbar lange zurückliegen. Sehr lange. Irgendwann drücke ich mich an ihm vorbei, klettere bis zur Spitze und laufe entspannt eine Wiese hinunter in ein wunderbares Tal.
Hier ist kurz vor CP1 das Kloster Ovgon Khiid gelegen, nach dem unser Zelt benannt ist. Ohne Wasser aufzunehmen mache ich weiter und spiele in der Ebene das Fähnchenspiel. Zwei laufen, eins gehen….. treffe eine Pferdeherde, die aus einer Pfütze auf dem Weg trinkt, Rinder, die meditativ kauend in die Ferne starren, passiere einen Mongolen auf einem Trampeltier (Ist das der heutige Schwerenöter? Hat der Veranstalter den herbeordert?) und arbeite mich beharrlich bis CP 2 vor.
Ich kabbel mich eben ein wenig mit der netten Helferin von 4deserts. Wir sollen hier anstatt wie gewohnt 1,5 l Wasser einen Liter mehr mitnehmen (‚It’s more than 13km to CP3‘) und ich weiß, dass ich nicht so viel Flüssigkeit brauche. Warum sollte ich das Zeug mitschleppen? – dann müsse sie mir eine Penalty geben. Menno! Ich krame meine Zusatzflasche raus, lasse sie auffüllen und sage zu Stephan, der eben einläuft und vor derselben Diskussion steht ‚Lass voll machen, wir kippen’s halt hinter der nächsten Ecke aus‘. Und so machen wir es dann. Ich frage, ob er schon einen Schwerenöter gesichtet hat und er verneint. Scheint nicht so einfach hier in der am wenigsten dicht besiedelten Region der Welt! Aber während wir laufend unser Fähnchenspiel praktizieren wird klar: Einige dieser rosa Flaggen sind ganz klar Schwerenöterflaggen, die uns verführen wollen, schon vom Laufen zum Gehen umzuschalten. Und unsere Aufgabe besteht eindeutig darin, diese Fähnchen zu identifizieren und zu ignorieren. Daher wird aus dem 2 laufen, 1 gehen jetzt eher ein 3 oder 4 laufen, 1 gehen. Hat den Vorteil, dass wir flotter vorankommen. Bis zu den Dünen. Es gibt hier inmitten der mongolischen Steppe tatsächlich Dünen, die so aussehen, als läge hinter ihnen das Meer. Wir stellen uns die Frage, warum sie hier sind und ich beschließe, dass es sich um nicht weiter ergründbare geologische Willkür handelt. Dieser Streckenteil ist wunderschön. Und scheißeanstrengend. Aber, wie bereits der Budhha wusste: alles Irdische ist vergänglich. Und so sind auch diese Dünen irgendwann vorbei. Es gibt eine wunderbare lange Downhillpassage, dann folgen wir einem Feldweg/super ausgebauten Straße, erreichen kurz vor CP3 einen Fluss, durchqueren ihn in Barfußtechnik und haben dann nur noch gut 11 km bis zum Camp vor uns.
Die heutige Etappe ist mit 42 km vergleichsweise kurz und soll uns davor bewahren, vor der Königsetappe morgen, dem Long March, zu viele Körner zu lassen. Ca. bei km 35 fängt es ein wenig an zu nieseln. Eigentlich hasse ich Regen, aber dieser hier ist nicht kalt und die Klamotten von x bionic sind die am besten temperaturausgleichenden Sportsachen, die ich je getragen habe. Kühlen wenn es warm ist und wärmen in der Kälte. Ich bin begeistert. Wir erreichen Camp 4 nach ca. 8,5 h Laufzeit und kaum sind wir da, beginnt es zu schütten. Ui! Alle, die jetzt noch draußen auf der Strecke sind werden nass werden und müssen zusehen, wie sie bis morgen früh ihr Zeug getrocknet kriegen. Der Veranstalter schätzt dies ähnlich ein. Abends gibt es die Ansage, dass der Start zur Langetappe für 10 Uhr angesetzt wird.
Und dann ist er da! Der Tag der LEGENDÄREN LANGEN ETAPPE
Stage 4: The Long March to the Orkhon Valley – Der Tag der weitesten Weite
Die Helfer von 4deserts haben in der Nacht noch alle Zelte mit blauen Bauplanen abgedeckt um sie wasserdicht zu machen und der Regen ist am Morgen vorbei. Überall gibt es über den offenen Feuern ‚Laufkleidung-Barbecue‘, werden Schuhe ausgemüffelt und trockene Socken gesucht. Zur Feier des Tages spendiere ich mir eine neue Unterhose. Ich fühle mich frisch, freue mich auf die 70 km und bin gespannt, wie ich mich schlage. Es gibt 6 CP‘s, also ca. alle 10 km einen, was eine gute Struktur ist. Wir hoffen, nicht viel in der Dunkelheit unterwegs sein zu müssen.
Schon beim Equipmentcheck in Ulan Bataar habe ich mich einverstanden erklärt, an einer Studie der Stanford University zum Elektrolythaushalt auf Ultraläufen mitzumachen. Ich werde einmal mit (64,3kg) und einmal ohne Rucksack, aber mit Schuhen und Kleidung gewogen (54,6kg – shit, das ist echt wenig), fülle einen Fragebogen aus zu meinem Trinkverhalten (wenn ich Durst habe, wenn mir danach ist, wenn ich es vernünftig finde – glasklare Kriterien) und der geplanten Salz- und Mineralienzufuhr (1 Salztablette vor dem Start, Buffer zwischendurch, mehr Salz nur wenn es sehr warm wird).
Da Stephan mich ja eh wieder einholt werden wir die Etappe zusammen laufen.
10 Uhr. Etwas bedeckt, angenehme Temperatur. Es geht los! Die Spitzengruppe rennt los, in einem Bogen sanft aufwärts und auf etwas zu, was ich eindeutig als Berg und steil bezeichnen würde. Ein kleiner Frosch hüpft über den Weg. Ich sage ‚Stephan, pass auf, hier hüpft ein Frosch‘ und gehe weiter. Nach einer Weile kommt er zu mir. ‚Was haste gemacht?‘ ‚Na, ich habe mich da hingestellt, musste doch den Frosch retten!‘ Ok. 2 Minuten später sind wir im Begriff, Angela zu überholen. Sie hatte viel Ärger mit einem Fersensporn, aber heute scheint ihr weiter oben etwas weh zu tun. Als Stephan sie anspricht bejaht sie: Schmerzen im unteren Rücken, ins Bein ausstrahlend. ‚Ja, du hast eine ISG Blockade, soll ich dich mal kurz einrenken?‘ Sie zögert. Ich gucke, wo der Rest des Feldes bereits läuft und sage ‚Angela, jetzt ist Stephan da, er kann das sofort machen. Wenn wir weg sind, sind wir weg, also überleg nicht lange!‘ Sie nickt und dies ist die Geburtsstunde der FFC Methode. Die Free Field Chiropractic findet immer open air statt. Ohne Matte, ohne Unterlage. Nur ein Patient, ein Therapeut und die weite Steppe Asiens…. Kaum fängt Stephan an (erwähnte ich, dass er Orthopäde ist?), taucht ein japanisches Filmteam auf. Ich beruhige sie ‚All fine! This man knows what he is doing‘ und tatsächlich fühlt sich Angela gleich viel besser.
Der Rest der Teilnehmer ist nun weg. Wir sind die Letzten. ‚So, mein Lieber, jetzt haben wir aber mal genug rumgebummelt, wir müssen noch 69 km absolvieren‘ ‚Okay!‘ Und so beginnt unsere Aufholjagd. In den Stunden danach überholen wir unzählige Konkurrenten. Eigentlich bis ins Ziel. Doch der Reihe nach. In der Streckenbeschreibung stand immer was von rolling hills – sanfte Hügel. Wir finden den ersten Berg nicht ganz so sanft und den zweiten auch nicht und den dritten auch nicht. Haben die einfach auf jeden 2. Hügel einen CP gebaut und lassen uns den ganzen Tag hoch und runter laufen??
Aber es geht gut! Bergauf gehen, bergab rennen (We are the Downhill-Gang!) und schon ist CP1 da. Check! Weiter! Mehr Hügel, mehr rauf und runter. CP2. Check! Die Sonne scheint, alles ist easy, wir sind gerade im Downhill, da kommt jemand vom CP hinter uns her. Wir waren zu schnell bzw. sie zu langsam, sie hatten unsere Nummern noch nicht notiert. Wir lachen alle. Weiter geht es. An Kadavern vorbei, die immer wieder mal rumliegen. Der letzte, extrem kalte Winter hat viele Tiere erfrieren lassen und überall treffen wir auf gebleichte Knochen und mumifizierte Fellreste. In den Gehpausen unterhalten wir uns über therapeutische Themen, das Selbstverständnis in der Schulmedizin und der komplementären Methoden, Kommunikation, Krankheitsprävention. Es läuft. Nach einem Aufstieg stehen wir auf einer Anhöhe und ich habe einen annähernd 360° Rundumblick. Es ist die weiteste Weite, die ich je gesehen habe. Weiter als in Namibia, weiter als in den USA. Sie ist weiter als alles, was ich mir zuvor auch nur vorgestellt habe. Es ist wirklich großartig und absolut spektakulär. Diese Weite ist der Maßstab aller Weiten. Dies ist die 10.
Beim Downhill danach bin ich einfach nur glücklich.
CP3. Check. Es läuft! Uphill, downhill, Fähnchenspiel. CP 4 kommt in Sicht. Um 17 Uhr sind wir da. Seit dem Start sind wir in 7 Stunden 40 km gelaufen, das ist bei dem Terrain echt gut. An diesem CP könnte man länger pausieren, was wir nicht wollen, aber eine Kleinigkeit essen. Wir machen uns Tee und ich eine Suppe. Stephan will auch Suppe essen, findet sie aber nicht und nimmt eine normale Mahlzeit. ‚Bist du sicher, dass das ok ist?‘ – ‚Ich hab Hunger!‘ Na, der ist ja erwachsen, der wird schon wissen, was er tut.
Nach knapp einer halben Stunde brechen wir wieder auf. Die Suppe hatte 110kcal aber ich fühle mich aufgetankt und frisch. Kaum sind wir wieder unterwegs zeigt sich, dass auch Stephan besser die Suppe hätte nehmen sollen. Sein Magen rebelliert etwas und wir machen nun langsamer. Es ist ein wunderbarer mongolischer Sommerabend. Nur die Mücken nerven. 3 Jungs reiten mit ihren Pferden an uns vorbei und winken. Wir arbeiten uns über ein ausgetrocknetes Flussbett wieder mal ein Stück nach oben. Innerhalb von 10 Minuten fahren 4 Fahrzeuge von 4deserts an uns vorbei. Ich verstehe ja, dass das hier ein betreutes Abenteuer ist und die immer mal nach uns schauen, aber diese rush hour ist mir zu viel. Noch einer, und ich leg mich auf den Weg und sorge mal für eine Verkehrsberuhigung.
Der Weg führt durch ein Gehöft (Wohnhaus, Nebengebäude, Außenklo) weiter bergan. Es ist immer noch hell. Und dann, nach einem steilen Anstieg: CP5! Check! Nur noch ein Checkpoint und dann ins Ziel, nur noch 20 km insgesamt! Wir holen unsere Stirnlampen raus, schalten die Blinklichter hinten am Rucksack schon mal an und flüchten uns vor den Mücken auf die weitere Strecke. Eine XS Weite, eine Weite von 7,5. Ach, es ist doch schön, wenn man Dinge präzise beschreiben kann. Ratzfatz taucht CP 6 auf. Ein letzter Downhill, dann sind wir im Flachland, genug Berge für heute! Die Volunteers im CP freuen sich mit uns, dass es so gut läuft. Wir sind alle total euphorisiert, scherzen und haben eine gute Zeit. Nach 2 Minuten sind wir wieder auf der Strecke. Weiter, weiter! Das nächste Stück ist eben und recht gut zu laufen und ich schlage vor, einfach ein längeres Stück durchzulaufen solange es noch hell ist und der Untergrund so gut. Wir traben gemütlich hintereinander her bis Licht- und Bodenverhältnisse es schwierig machen. Es geht nun ganz klar ohne Straße einfach querfeldein, wir suchen mit den Lampen nach den Fahnen. Das Gravitätsproblem setzt wieder ein. Eine Regel bei diesem Lauf ist: Je näher wir dem Ziel kommen, desto stärker wird das Schwerefeld der Erde und umso schwerer das Laufen. Von wegen: Das Ziel zieht. Ich will hin. Aber alles ist viel zu langsam. Ach so, es geht nochmal leicht bergauf. Ein kalter Wind kommt auf. Soll ich die Daunenjacke auspacken? Ich will nicht, ich will keine Zeit verlieren. Lieber den Wind aushalten. Also Ärmlinge hochziehen, Buff um den Hals als Wetterschutz. Es kommen 3 lange sich ziehende Kilometer, dann eine kleine Unterführung und eine Flussdurchquerung. So kurz vor dem Ziel lassen wir die Schuhe an. Am Horizont blitzt es immer wieder. Ich bin optimistisch, dass wir es vor dem Gewitter ins Ziel schaffen. Es beginnt zu nieseln, es beginnt zu regnen, es schüttet. Innerhalb von 1 Minute. Ich habe noch nicht mal Zeit, meine Regenjacke auszupacken. Stephan zählt zwischen Blitz und Donner die Zeit und stellt fest, dass das Gewitter näher kommt. Nur noch 2 km entfernt ist. Shit! Wir sammeln einen Japaner ein und Stephan sagt ‚This is dangerous now, we have to run!‘ Der Japaner wiegelt ab, ach nee, er würde lieber etwas gemütlicher… Stephan wird deutlicher: ‚No, you have to come with us, you have to run!‘. Der Weg ist ein Schlammfeld, der Regen schlägt mir auf die Brille und ich kann kaum etwas sehen. Um uns herum ist ein blitzendes Inferno. Ich renne so schnell ich kann (und ich kann noch erstaunlich schnell rennen), sehe aber nicht genau, wohin ich trete, was auf dem Weg ist (geschweige denn, wo der Weg ist). Zu dritt hetzen wir hintereinander her. Dann ein Auto von 4 deserts. ‚How far?‘ ‚Not far, you nearly made it‘ Und dann sehen wir Lichter und das Camp, hören die Trommel und ich gebe nochmal Gas. Wenige Meter vor dem Ziel, während ich durchnässt und vom Adrenalin aufgepeitscht renne, durchfährt mich ein ganz intensives Gefühl von Leben und Freiheit und ich denke: wenn ich jetzt vom Blitz erschlagen werde, so sterbe ich glücklich.
Und dann sind wir da! Kurz nach 23 Uhr! 13h 7min für 70 Kilometer! Yeah!
Neben dem Ziel steht das Medical Tent und der Doc winkt uns rein (rein? Drinnen ist es genau so nass wie draußen), fragt uns, wie wir Flüssigkeit und Elektrolyte aufgenommen haben, wie oft wir pinkeln waren, nimmt uns Blut ab und stell uns auf die Waage: 57,3 kg. Da ich ja nicht zugenommen habe, muss das das Wasser in meinen Klamotten sein. Da muss der Doc sich was ausdenken, wie er die Daten korrigieren kann.
Es gibt zwei beheizte Jurten. Dort waten wir hin und wechseln unsere klitschnassen Sachen aus. Ich brauche ewig um in die lange Hose zu steigen, setze mich an den Ofen und freue mich an der Wärme. Wir geben uns ein high five und gehen zu den Zelten. Ich will nicht mit den nassen Sachen das Zelt volltropfen und lasse einfach alles draußen liegen. Lege mich in den Schlafsack. Freue mich, dass es dort trocken, warm und kuschlig ist. Alles andere sehe ich morgen früh.
Stage 4 continued /resting day – Shit!
Am Morgen regnet es immer noch unvermindert. Die ganze Nacht sind noch Läufer reingekommen, ich konnte immer wieder mal die Trommel hören. Diese Leute sind stundenlang durch den Regen gestapft! Ach du sch…..
Ich müsste mal zur Latrine. Aber ich will nicht. Es regnet. Ich will nicht raus. Irgendwann hilft alles nichts und ich mache einen Schnelldurchlauf. LatrineZähneputzenFrühstück. Und hänge die nassen Sachen in der beheizten Jurte auf. Als ich die Tür öffne liegt direkt dahinter ein Japaner auf einer Isomatte und schläft. Sein Rucksack lehnt an der Wand, das rote Rücklicht blinkt noch. Offenbar war er so erschöpft, dass er nur noch hier reingefallen ist.
Wieder im Zelt krauche ich in den Schlafsack. Er ist immer noch warm. Ich extrapoliere. Auch wenn die Leute im Wesentlichen in den Zelten bleiben, müssen sie für bestimmte Wege raus. Am Kochzelt mit dem heißen Wasser war der Schlamm jetzt schon zentimertief und drohte, mir die Flipflops zu entreißen. Jeder, der in die Nässe rausgeht bringt Nässe mit ins Zelt rein. Etliche Leute haben Blasen. Die werden wunderbar medizinisch versorgt, aber was nützt das, wenn sie danach durch den Schlamm robben müssen?
Mit meinen Zeltmitbewohnern komme ich gut einen Tag auf engem Raum klar, aber die Feuchtigkeitsfrage beschäftigt mich.
Den Veranstalter offenbar auch. Um halb elf heißt es: Schnell alle Sachen packen und in die Busse (die wir die ganze Zeit dabei hatten – jetzt weiß ich, wie sinnvoll dieses backup System ist), man würde uns in eine Turnhalle fahren. Zippi mosert. Viel zu viel Luxus, alle verweichlicht oder was? Die Fahrt nach Karakorum soll 45 min dauern. Auf dem Weg dorthin sehe ich, was der Dauerregen mit der Landschaft gemacht hat. Alles top vorbereitet für Reisanbau. Zwei Busse bleiben im Schlamm stecken und müssen mit LKW’s freigezogen werden.
Dann Karakorum. Ein Name, der nach Abenteuer klingt, nach Marco Polo, nach Exotik, nach Karl May. Einst eine der bedeutendsten Städte der Welt. Handelszentrum. Ein Ort, der die Reiselust und Sehnsucht nach der Ferne weckt.
Schmucklose Häuser ducken sich hinter Bretterzäunen dem Wind entgegen. Drei asphaltierte Hauptstraßen und einige aus Schotter bestehende Nebenstraßen fassen den überschaubaren Verkehr. Der Regen steht in seeartigen Pfützen, in denen Kinder ertrinken könnten, ein Hund läuft lustlos durch die regnerische Leere. Der Begriff trostlos wurde für Orte wie diesen erfunden.
Ich sehe zwei moderne Gebäude. Ein Hotel. Und die Turnhalle. Ein Riesending für diese Gegend hier! Die Busse stoppen, wir steigen aus und bringen unsere Rucksäcke nach drinnen. Auf dem Hallenboden stehen die Nummern unserer Zelte, alle finden sofort einen Platz und verteilen sich im Raum. Wir sind direkt an der Mittellinie mit dem Volleyballnetz und hängen unsere nassen Sachen daran auf. Nicht übel. Wir sind im warmen und trockenen, es gibt Klos, man kann sich unter fließendem (!) Wasser die Hände waschen.
Leute sitzen nebeneinander und reden oder liegen in ihren Schlafsäcken und entspannen sich. Die Stimmung ist gut.
Gegen 14 Uhr hört der Regen auf und draußen startet das Naadam Festival. Naadam ist eins der wichtigsten Feste der Mongolei und wird eigentlich im Juli gefeiert. Aber um uns einen Eindruck ihrer Kultur zu geben haben die Leute sich entschieden, für uns nochmal ‚nachzufeiern‘. Zu Naadam gehört Pferderennen, Ringkampf und Bogenschießen. Das Pferderennen fällt leider aus (wg. Wetter – wenn sogar die Mongolen das für zu viel halten….), aber es gibt Wrestling und Bogenschießen. Es fällt auf, wie ritualisiert der Ringkampf ist und wie wenig aggressiv. Ist ein Gegner besiegt, ist das ein Fakt und mit keinerlei Emotion verbunden. Es gibt weder Häme noch Faustgerecke. Die Ringer tragen eine bunte, nun ja, von der Form her, Unterhose und ein Oberteil, welches einem Bolerojäckchen ähnelt. Hintergrund davon ist, dass es zu Zeiten Kublai Khans eine mongolische Kriegerin namens Aiyaruk gab, die so viele Männer im Ringen besiegte, dass diese nun immer demonstrieren, dass sie brustlos sind. Und da schon die historischen Frauen Kriegshandwerk betreiben durften wird konsequenterweise auch heute noch das Bogenschießen von beiden Geschlechtern ausgeübt.
Abends informieren uns die Veranstalter, dass sie fieberhaft überlegen, wie sie morgen für uns die Strecke definieren. Der erste Abschnitt sollte über das flache Teilstück gehen, welches jetzt die Sümpfe des Verderbens Tolkien’schen Ausmaßes sind und ehe jemand da drin verloren geht, wird dieser Part ersatzlos gestrichen.
Man bringt uns also am Freitagmorgen bei harmlosem Sonnenschein in Bussen zum Start von
Stage 5: The Battle Grounds of Ghengis Khan – Dörte, don’t leave me!
Der Tag ist super, ich bin ausgeruht, kraftvoll und freue mich auf eine Etappe durch Wald und mit wenig Bergen. Bisher bin ich jeden Tag stärker geworden, hatte weder Muskelkater noch Muskelziehen. Schon vom Start weg rennen wir, obwohl es bergauf geht. Endlich fühle ich mich wieder als Läuferin und nicht mehr als Power Wandererin, wie ich zuvor mal bemerkte. Beim ersten Downhill strecke ich die Arme aus und singe ‚Ich bin die Königin der Welt!‘ Mindestens. Es läuft, alles ist leicht.
Mein Körper fühlt sich fit und gut an, alles funktioniert. Ich laufe vor, Stephan hinterher. Dörte, don’t leave me! Keine Sorge, wir machen das hier gemeinsam. Wir überholen Andrea Löw. Andrea! Die vieeeel mehr Erfahrung hat als ich, die immer vor mir ist, es fühlt sich gut an! Sie gönnt uns unseren Spaß ‚Ihr seid ja wie die Tiere heute – haut rein!‘ und schon ist CP 1 da und es geht weiter in ein Tal. Wir wollen beide flott sein heute, nicht viel Fotos machen, nicht viel reden, sondern Strecke machen, reinhauen, wirklich überall da, wo es irgend möglich ist, laufen, auch wenn es bergauf geht. Das Tal wird enger und es ist bewaldet. Es erinnert sehr an das Alpenvorland und auch die Vegetation ist ähnlich. Rotklee, Schafgarbe, Wicken – diese Wiese könnte auch bei uns sein. Dann ist CP2 erreicht und damit der letzte Check Point dieses Rennens. Danach geht es steil durch den Wald auf eine Bergkuppe. Der Schatten der Bäume ist wunderbar kühl, wir keuchen und fluchen, ich frage Stephan periodisch: ‚Warum machen wir das hier eigentlich?‘ ‚Weil’s Spaß macht‘ erinnert er mich ‚Ach ja, stimmt.‘
Oben angekommen sehe ich einen Pfad, der sich ewig lange nach unten windet. ‚Du hast keine Technik für bergab, das kannst du verbessern‘ – ‚Ey, klar hab ich keine Berglauftechnik! Weißt du, wo ich HERKOMME?? Ich bin schon total stolz, dass ich versuche, das auf dem Vorfuß und in kleinen Tippelschritten zu laufen!‘ ‚Gib mir mal deine Stöcke. Stell dir vor, du willst um die Steine herum tanzen. Denke nicht nach, wohin du trittst, lass das deinen Instinkt erspüren. Und nimm die Arme zur Seite um deine Bewegungen auszugleichen‘ Na gut. Dörte dancing. Wir hüpfen also den Berg runter. ‚So, und nun singst du mir noch das isländische Reiterlied vor, von dem du mir vor ein paar Tagen erzählst hast‘ Ich lache. Und hüpfe den Berg runter. Und singe A Sprengisandi: Ríðum, ríðum og rekum yfir sandinn. Etwas atemlos. Mein Laufpartner zeigt sich zufrieden: ‚Üben, üben, üben‘ ‚Jawoll‘ Ich denke, er meint das Laufen und nicht das Singen.
Das Tal unten ist mit mehreren Jurten geradezu dicht besiedelt. Kühe, Pferde, Ziegen, Kinder springen draußen herum. Ein kleiner Fluss schlängelt sich durch das Grün. Es ist beängstigend schön. Wir wissen, dass wir bald da sind, nur noch wenige Kilometer. Und hauen rein, laufen was die Beine hergeben. Andrea hatte uns inzwischen wieder überholt, Antje ist kurz hinter uns. Am Morgen hieß es, zum Ende der Etappe erwarte uns eine Überraschung. Und so ist es: das Camp liegt an einem Fluss. Genauer auf der anderen Seite des Flusses. Dieser ist ziemlich breit und sieht mir einigermaßen tief aus. Rucksack schultern? Durchwaten? Schwimmen und hoffen, dass der wasserdichte Packsack hält? Nein. Die Zeit wird auf dieser Seite des Flusses genommen und wir dann in kleinen Gruppen mit Booten übergesetzt. Tatsächlich war Andrea kurz vor uns angekommen, Antje ist hinter uns und wir besteigen gemeinsam die Boote. Drüben erwarten uns die anderen mit Getrommel und Gejohle. Es ist sonnig, es ist angenehm warm, es ist das schönste Camp, welches ich je erlebt habe.
In Gruppen sitzen wir unter dem Sonnenschutz oder vor den Zelten, unterhalten uns, machen Scherze, genießen die Sonne. Zum Zähneputzen gehe ich hinter das Zelt. Mit Blick auf Fluss und Berge gehe ich meiner Hygiene nach. So einen Ausblick müsste man öfter haben!
Ich bin müde und gehe früh schlafen. Irgendwo ist die halbe Nacht Party. Feuer brennen, Musik wir gehört. Es ist so schön.
Stage 6: The Final Footsteps to the Ancient City of Karakorum – Rettung naht!
Die letzte Etappe ist wie bei der Tour de France eher so eine Tour d’honneur. Sie ist kurz und gibt den Leuten die Chance, nicht komplett ausgepowert und derangiert auf den Finisherfotos zu erscheinen. Das Camp liegt auf einer Flussinsel, wir müssen also auf jeden Fall nochmal durchs Wasser. Aber stundenlang mit nassen Füßen auf der Rückfahrt im Bus sitzen? Klingt unattraktiv. Morgens wird der Plan geändert: Wir waten durch den Fluss und starten drüben in frischen Socken und trockenen Schuhen.
Die Strecke ist leicht: Den Hügel hoch, auf der anderen Seite runter, ein Stück durch Karakorum und dann zum Kloster Erdeene Zu, wo der Zieleinlauf stattfindet. In Karakorum laufe ich gleichmäßig, mein Atem ist ruhig und ich könnte so noch lange weitermachen, aber wir werden auf einen Trampelpfad gelotst und an der Hintermauer des Klosters entlang. Hier nimmt man uns die Zeitnahmechips ab. Stephan und ich fassen uns an den Händen und laufen unter Triumphgeheul lachend durch das alte Portal ins Ziel ein. Ein Mönch hängt mir eine Medaille um, alle sind ausgelassen, lachen, machen Fotos, freuen sich. Es gibt Bier und Pizza. Morgens um 8 Uhr. Ich finde das passend. Wir fallen uns gegenseitig in die Arme, jeder drückt jeden, es ist eine einzige Euphorie.
Um 10 Uhr steigen wir in die Busse. Wir müssen erst noch tanken fahren, dazu war zuvor wohl keine Zeit. Zippi und Jerry kommen mit Biernachschub aus dem Minimarkt zurück. Das hätte ich mir denken können! Unser Bus singt, es ist Superstimmung.
Um 18 Uhr bin ich auf meinem Zimmer. Die erste Dusche seit einer Woche ist ein sakraler Akt. Zweimal einseifen. Ahh!
Das Festbankett startet um 20 Uhr. Die Awards werden verliehen, Fotos und Filme vom Rennen geguckt. Es gibt Essen vom Buffet. Salat. Salat! Himmlisch! Hier erfahre ich auch meine Platzierung: Platz 99 von 235 Startern und 220 Finishern. High five! Anstatt 250 km haben wir zwar wegen der verkürzten 5. Etappe nur 242 km absolviert, aber ich denke, auch diese Leistung kann sich sehen lassen. Knapp 43 h war ich dafür auf der Strecke.
Am nächsten Morgen steigen wir zu zehnt in 2 Taxen und fahren zum Flughafen. Checken ein, boarden. Stehen 3 h auf dem Rollfeld, der Wind pfeift und schüttelt die Maschine. Dann geht es zurück zum Terminal. Kein Flieger geht an diesem Tag wegen der starken Winde mehr rein oder raus. Bis Bustransfer und Hotels organisiert sind dauert es. Um 18 Uhr bin ich auf dem Zimmer, um 23 Uhr geht der Transfer zurück zum Airport. Nachts um 02:30 heben wir ab. Morgens um 7 Uhr landen wir in Tegel, nach 2 fast schlaflosen Nächten. Montagmittag Landung in Düsseldorf.
Ich werde noch etwas Zeit benötigen um wieder voll hier anzukommen. Am ersten Morgen frage ich mich beim Erwachen: Welches Camp ist das denn hier?
Es war ein tolles Abenteuer. Dass es so gut lief ist – natürlich – einer guten Vorbereitung zu verdanken. Und guter Unterstützung.
Ich möchte hier einigen Dank ausschütten. Danke an Rafael Fuchsgruber für seine Inspiration und Hilfe bei praktischen Fragen. Rafael, du bist Schuld, dass ich sowas Beklopptes mache, aber es ist verzeihlich! Danke an Tanja Schönenborn, die im Vorfeld so viel Orga übernommen hat, mit den Sponsoren kommunizierte und immer gute Laune verbreitete. Danke an meine Mitzeltinsassen – ihr seid echt sozialverträglich! Danke an Stephan für good company beim Lauf und an alle anderen vom LDRC: Ihr seid super! Danke an racing the planet für die unnachahmlich charmante Idee, rosa Fähnchen auf abgefahrenen Strecken zu verteilen um ein paar Verrückte auf der ganzen Welt durch verschiedene außergewöhnliche Landschaften laufen zu lassen. Thumbs up!
Und ein dicker Dank an unsere Sponsoren. x bionic hat uns sehr großzügig mit Kleidung ausgestattet, es ist das beste Zeug, welches ich je zum Sportmachen trug. Ich habe weder gefroren noch zu sehr geschwitzt und wer mich kennt weiß, dass nicht frieren eigentlich unmöglich ist. Danke an Yeti, deren Schlafsack und Daunenjacke mich kuschelig warm und trocken hielten und das bei geringem Gewicht. In diesem Zusammenhang ein Dank an Magda, die mir ihren Passion V lieh. Danke an Ultrasports für die Nahrungsergänzungen und Riegel. Auf eurem Sprit bin ich durch die Mongolei gepest! Daumen hoch! Danke auch an NorSan, euer Omega 3 total Öl hat mich in der Vorbereitung begleitet und ich kenne nix besseres zur Omega 3 Zufuhr. Und Danke an Julbo, eure Sonnenbrille ist ebenso leicht wie angenehm im Sitz. Und natürlich fand ich es auch hilfreich, dass ich, wie schon in Namibia, meinen BioKat Life Tuner wieder dabei hatte um die Regeneration zu unterstützen und mich zu pushen, wo es nötig war. Die 45g im Rucksack haben echt nicht gestört.
Jetzt sitze ich wieder in Mülheim. Der Rucksack ist entpackt. Leider hat mir offenbar jemand auf den letzten Metern die Kamera geklaut. In Tegel hielt ich sie letztmalig in Händen. Möge den Dieb die Rache der Mongolen ereilen! So, jetzt gehe ich was essen, ich habe nämlich seit meiner Rückkehr Kohldampf ohne Ende und muss meine Speicher wieder auffüllen. Für das nächste Abenteuer!