KÖLSCHE NAACHSCHICHT – 75KM DURCH DIE NACHT UM KÖLN HERUM

 Am Wochenende 30.06/01.07.18 fand in Köln wieder ein kombinierter Ultralaufwettbewerb statt. Der Kölnpfad mit den Abteilungen ‚Kölscher Klüngel‘ (Staffellauf), Kölsche Naachschicht (75km Nachtlauf), 10×11 km (weil die Stadt von der Zahl 11 ja irgendwie besessen ist – s. auch Elferrat, Karneval etc.) und der eigentliche Kölnpfad, der die gesamten 171 km des kompletten Wanderweges rund um Köln umfasst. 

Letztes Jahr war ich den Nachtlauf erstmalig und in Begleitung von Rafael Fuchsgruber gelaufen. Der wollte dieses Mal erstens die 110km laufen und war zweitens krank, also verabredete ich mich mit Stephan Schwabe, einem netten Orthopäden, den ich über den LDRC (Little Desert Runners Club) kenne und mit dem ich Ende Juli den 4deserts Lauf in der Gobi machen werde. 

 20 Uhr in Porz am Rhein – gleich geht’s los! 

 Stephan versicherte mir, ich müsse keinen Track runterladen, er würde das übernehmen und wir verabredeten, locker aber gleichmäßig unterwegs zu sein. Kurz vor dem Start kam noch eine alte Lauffreundin von ihm hinzu, der es von Beginn an nicht so gut ging. Wir kamen als Letzte los und am ersten VP taten wir kund, dass wir zwar schon einige Leute überholt hätten, aber eigentlich das Pendant zu einem Start-Ziel-Sieg planten, nämlich ein Start-Ziel-konstant-durchlaufen. Oder so. Nur ging es unserer Laufkameradin nicht so gut, unser Tempo verlangsamte sich immer mehr und irgendwann marschierten wir nur noch. Ich fand dieses langsame Fortkommen anstrengend und frustrierend und wir beschlossen, uns zu trennen. Stephan gab mir sein Smartphone und so lief ich alleine los in die Nacht. Und fand es fein! Letztes Jahr hatte es vor dem Rennen geregnet und der Waldboden war feucht und 

matschig, überall hüpften kleine Frösche herum und es gab unzählige kleine Tümpel. Dieses Jahr roch es nach Staub und es war überall knochentrocken. Zwischendurch schaltete ich meine Lampe aus und sah um mich herum nur Schwärze, aber am Himmel, zwischen den Baumwipfeln, schien ein heller Mond. Sehr schön! Ich lief nun mein Tempo, fühlte mich wohl und kam gut voran. Den VP in Bensberg erreichte ich gegen 02:30 – meine Güte, letztes Jahr waren wir um 01.15 Uhr hier! – aber ich merkte, dass mir irgendwie nicht gut war vom Magen her und aß nichts. ‚Nächster VP in 11km!‘ – das klang allerdings machbar und ich rannte wieder alleine los. Allerdings bekam meinem Bauch die Erschütterung des Laufens nicht. Mir wurde immer übler und irgendwann erbrach ich mich. Dann fühlte ich mich besser. Lief wieder vorsichtig an. Bis zur Übelkeit. Und erbrach……so ging es die nächsten rund 35km. Ich war mir sicher ‚Irgendwann geht es vorbei. Du musst nur durchhalten‘. Natürlich war an ein schnelles Vorankommen nicht zu denken und die Kilometer zogen sich. Stephan hat auf seinem Telefon eine App, die ich in dieser Nacht lieben lernte. Nach jedem gelaufenen Kilometer sagt sie die zurückgelegte Strecke an und ich freute mich über jede Meldung. ‚66 kilometer, 10 hours, 13 minutes, 45 seconds, 7.531 kilokalories‘ Natürlich waren die Kalorien nicht auf meine 56 kg Kampfgewicht eingestellt 😉 

Es war so motivierend! Denn obwohl ich gute Teile der Strecke vom letzten Jahr kannte, war doch die Führung teilweise geändert. Kleine Anekdote am Rande: Ein Teil des Königsforstes ist Naturschutzgebiet und darf mit Gruppen über 40 Personen nur mit einem Guide betreten werden. Auch des Nachts. Und natürlich gibt es zu wenig Naturführer. Und natürlich hätte das Ordnungsamt wahrscheinlich nicht kontrolliert, aber der Veranstalter bat, das zu respektieren und so liefen wir also teilweise um den Wald herum statt durch ihn hindurch. 

Zwischendurch checkte ich die noch vor mir liegende Strecke, die Zielzeit (08:00 Uhr Sonntagfrüh) und die Abfahrtzeit meines Zuges (10:30 Uhr). Die Zielzeit würde ich nicht schaffen mit diesem Magen, den Zug durfte ich nicht versäumen, aber noch sah es so aus, dass es klappen würde. 

Nichts blieb drin. Ein Schluck Wasser trinken hieß, 5 Minuten später einen Schluck Wasser auswerfen. Also nix mehr rein. Irgendwann merkte ich dann, dass der Wasser- und Elektrolytverlust meine Beine etwas schwächeln ließ (gelaufen war ich ja noch nicht so richtig) und hoffte, dass nun endlich mal Schluss ist mit der ganzen gestörten Befindlichkeit. Der Morgen dämmerte – immerhin waren wir in einer der kürzesten Nächte des Jahres unterwegs – und ich verglich das mit dem Vorjahr, wo waren wir um diese Zeit? Deutlich weiter, das war klar. Egal. Weiter und weiter und auch so ein Geh-Kotz-Lauf entwickelt seinen Rhythmus. Und irgendwann spürte ich, dass es jetzt tatsächlich besser wurde. Und trank etwas Wasser. Und das blieb. Und aß einen Riegel. Und der blieb. Na, dann konnte ich ja auch wieder laufen. Jetzt kamen die Erfolgsmeldungen in kürzeren Abständen. 70 Kilometer, 73 Kilometer…..ich ahnte schon, dass es mehr als 75 km werden würden (der Track ist offiziell 76,6km lang). So unglaublich es klingt: jetzt hätte es auch noch weiter gehen können. Den letzten Teil vor dem Ziel rannte ich (der Tracker war bei 81km – so viel hatte ich mich aber doch nicht verlaufen?!) und dann war ich endlich da! Ich hatte 13h 24 

min benötigt, zwei Stunden mehr als im letzten Jahr, aber egal, ich war angekommen! Und wurde gefeiert als hätte ich gerade eine Bestleistung erbracht. Das ist das Feine am Ultralaufen: die Unterstützung der Leute ist so groß und jede und jeder wird begeistert gefeiert. Keiner meckert von wegen ‚Wir wollen Feierabend machen!‘ 

Ein hart erkämpftes Zielfoto!!

Schnell unter die Dusche und dann brachte mich eine nette Organisatorin zum S Bahnhof. Auf dem Weg vom Gelände sah ich noch Stephan, also war er inzwischen auch im Ziel. Pünktlich um 10:30 Uhr nahm ich die S-Bahn in Holweide und um 11 Uhr meinen Zug in den Schwarzwald, wo ich am Montag ein Seminar geben sollte. 

Ich beschloss, einfach nie wieder etwas zu essen um so sicherzustellen, dass mein Magen Ruhe geben würde. Geniale Idee, oder? Dass da nicht schon vorher jemand drauf gekommen ist! 

In Lahr musste ich nur 200 m bis zum Hotel Westend laufen und legte mich eine Runde schlafen. Als ich wach wurde dachte ich, dass ich evtl. doch eine Kleinigkeit zu beißen vertragen könnte. Was ich bei der Buchung des Hotels vergessen hatte: Es liegt schön nah am Bahnhof, aber das Restaurant hat am Sonntag geschlossen. Der Bus in die Innenstadt fährt am Sonntag einmal je Stunde. Hm, gerade weg. Also lief ich die 3 Kilometer. Aß etwas. Und lief die 3 Kilometer zurück. Denn mal im Ernst: mein Magen war gestresst, nicht meine Beine. 

06.07.2018 Dörte Schreinert